DIE Luft und der Wein Teil 1



Soll ich eine Flasche Wein öffnen, auch wenn ich nur ein Gläschen trinken möchte?
Was passiert mit dem Rest in der Flasche? Wird der dann schlecht?

 

Weingenuss muss nicht zwangsläufig zu erhöhtem Alkoholkonsum führen, nur weil die leckeren Weine überwiegend in 0,75l Flaschen abgefüllt werden!



Da das, was einen „leckeren Wein“ ausmacht, sehr vielfältig sein kann, sind die Haltbarkeitszeiten für die jeweilige Flasche Wein unterschiedlich.

Und NEIN, Wein wird nicht schlecht. Der Geschmack verändert sich, verdorben ist er deswegen nicht. Außer er riecht und schmeckt deutlich wie Essig. Bevor ich zu einer ausführlicheren Erklärung ansetze, hier für alle Schnellleser eine vage Einteilung. Wichtig ist, dass die Flaschen gut verschlossen im Kühlschrank gelagert werden. Und es kommt auf die Füllmenge in der Flasche an. Je leerer die Flasche, desto kürzer die Haltbarkeit (im Kühlschrank). Gehen wir mal von einer halbvollen Flasche aus.

 

Die Weintypen und ihre Haltbarkeit im Kühlschrank

Wie lange hält Schaumwein?

Gut verschlossen halten Schaumweine, die mit der traditionellen Flaschengärung hergestellt wurden (Crémant, Champagner, Winzersekt) maximal 1-2 Tage. Prosecco, Frizzante, Spumante und Sekte mit zugesetzter Kohlensäure wirken am nächsten Tag schon schal im Glas. Der letzte Rest Kohlensäure entweicht beim wiederholten Öffnen der Flasche und dem Einschenken ins Glas.

 

Wie lange hält fruchtiger Weißwein?

Ein besonders fruchtiger und reduktiv(ohne Sauerstoff) hergestellter Wein verliert deutlich und schnell viele seiner frischen Aromen. Trotzdem ist er durchaus noch 2 Tage haltbar.

 

Wie lange hält körperreicher Weißwein?

Weißweine die ggf. im Holzfass gereift sind und schon mal Kontakt mit Sauerstoff während ihrer Herstellung hatten, sind stabiler und „leben“ nicht nur durch ihre Fruchtaromen. Natürlich verändern auch sie ihren Geschmack aber überstehen gut bis zu 3 Tagen im Kühlschrank

 

Wie lange hält heller und fruchtiger Rosé?

Ähnlich wie dem fruchtigen Weißwein, geht es dem Rosé, der nicht lange auf der Maische war und reduktiv ausgebaut wurde. Er verliert schnell seine Him-, Erd- und sonstigen Beerenaromen. 2 Tage ist er aber mindestens noch gut trinkbar.

 

Wie lange hält kräftiger Rosé?

Meist intensiv, fast dunkel rosé hat er auch schon mehr Geschmack Richtung Rotwein und kann locker 3 Tage im Kühlschrank auf weiteren Verzehr warten.

 

Wie lange hält heller und fruchtbetonter Rotwein?

Rebsorten, die nicht so viele Farbstoffe (Anthocyane) besitzen, wie zum Beispiel Spätburgunder sind anfälliger wenn sie geöffnet sind. 3 Tage sind genug Wartezeit.

 

Wie lange hält mittelkräftiger Rotwein?

Hier können je nach Farbe, Dichte und Tannin auch 4 Tage Ausharren im Kühlschrank auf die nächste Gelegenheit in Ordnung sein. Die Primärfrucht ist dann nicht mehr so präsent und der Wein ist bestimmt etwas weicher geworden.

 

Wie lange hält kräftiger und tanninreicher Rotwein?

Der Prozess, dass der Wein weicher wird, ist bei kräftigen, fast ruppigen Weinen manchmal von Vorteil. So kommen die von Gerbstoffen überlagerten Aromen auch zum Zuge. Je nach Jugend und Kraft kann er sogar 5-7 Tage im dunklen Kühlschrank verweilen.

 

WICHTIG!

Gereifte Weine sind von diesen Lagerungsvorschlägen ausgenommen! Sie sollten geöffnet nicht gelagert werden.
Weiterhin ist die Fähigkeit eines Weines im geöffneten Zustand genießbar zu bleiben ein Herstellungs- und Qualitätsmerkmal. Deswegen sind die angegebenen Zeiten nur ein Anhaltspunkt.




Wann ist ein Wein nicht mehr in Ordnung?

Da ist zum einen die „persönliche Schmerzgrenze“ relevant und zum anderen gibt es natürlich deutliche Anzeichen von „nicht mehr lecker“. Wenn sich die Essigbakterien so vermehrt haben, dass der Wein schon beißend sauer in der Nase sticht oder nachdem der Sauerstoff die Tannine alle schon weich gemacht hat und sich nun mit dem Alkohol in Verbindung setzt, wird der Wein vollkommen schal, müde und richtig unangenehm im Mund. Struktur- und kraftlos, manchmal metallisch, mit Aromen, die jegliche Nähe zur Traube verloren haben, merkt man schnell, dass das nicht mehr viel mit dem Genussmittel Wein zu tun hat.

Mit „persönlicher Schmerzgrenze“ meine ich vergleichbar z. B. das Essen eines vor Stunden angeschnittenen Apfels. Manche nehmen die oxidierte, braune Oberfläche zur Kenntnis und beißen trotzdem munter in die Apfelhälfte, und andere schneiden die Oberfläche erst einmal ab. Die Oxidation hat auch schon bei dem Apfel eine geschmackliche Veränderung vorgenommen. Den einen stört es mehr, den anderen weniger.

Ich probiere Weine, egal welcher Farbe, gerne über mehrere Tage hinweg und finde es spannend welche Veränderungen sich vollziehen. Ich mag es ganz gerne wenn sie etwas weicher werden und die vom Tannin oder Eichfass verdeckten Fruchtaromen zum Vorschein kommen. Wein ist ein lebendiges Lebensmittel und durch seinen Alkohol erst einmal sehr lange haltbar (im Vergleich zu Milchprodukten etwa). Die Entwicklung eines Weines hat mit den Witterungsbedingungen des Jahrgangs, der Kellertechnik und der Lagerung nach der Abfüllung zu tun.



Was sollte ich bei der Lagerung von Wein beachten?

Das wichtigste ist schon beschrieben:

  • Die Flasche gut und dicht verschließen
  • Im dunklen Kühlschrank lagern, da bei niedrigen Temperaturen sich die oxidativen Prozesse deutlich verlangsamen.

 

Es gibt viele Ratschläge, die oft mit Kauf von Zubehör einhergehen. Besonders luftdichte Verschlüsse, Pumpen mit speziellen Stopfen um den Sauerstoff aus der Flasche zu pumpen oder Gaskartuschen, deren Gas den Sauerstoff aus der Flasche vertreiben oder einfach den restlichen Flascheninhalt in eine kleinere Flasche umfüllen.

 

Welche Mühen und Aufwand man betreiben möchte, muss jeder für sich entscheiden. Wer schon mal eine Weinflasche abgepumpt hat, weiß wie viel Weinduft mit hinaus befördert wird. Das Umfüllen, die preisgünstigste Variante, ist sozusagen ein Karaffieren vor der Lagerung. Dann ist in der kleinen Flasche weniger Sauerstoff, aber der Wein hat vorher noch mal gut Sauerstoff getankt.



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Hintergrundwissen

Wieso schafft Weißwein mal nur ein bis zwei Tage, und er schmeckt schon nicht mehr lecker und ein anderer, durchaus auch fruchtiger Weißer sogar 3-4 Tage? Und – überhaupt – Rotwein im Kühlschrank aufheben?

Im Kühlschrank, bei Temperaturen zwischen 4-6 °C verlangsamen sich die Reaktionen, die Sauerstoff verbindend im Wein eingeht.

Sauerstoff bindet sich im Wein an:

  • Hefen und bindet nach der Gärung Gäraromen
  • freien Schwefel und zugefügtes Schwefeldioxid
  • Farbstoffe (Anthocyane)
  • Weinaromen (Kohlenwasserstoffe)
  • Tannine
  • Alkohol, verändert Ethanol zu Ethanal und das wiederum braucht dann das haltbar machende Schwefeldioxid auf…..



Sauerstoff wird benötigt um überhaupt erst einmal die alkoholische Gärung in Gang zu setzen. Anhand der vielen Bindungspartner wird schnell klar, dass der Wein schon eine Portion Sauerstoff ab kann, bevor er ungenießbar wird! Der Kontakt mit Sauerstoff während der Herstellung des Weines geht möglichst kontrolliert vonstatten. Mit Stickstoff z.B. wird Sauerstoff aus Behältern, Tanks und sogar Flaschen bei der Abfüllung vertrieben um so eine ungewollte vorzeitige Oxidation zu vermeiden. Mit der Entscheidung für einen Naturkorken als Flaschenverschluss lässt man eine langsame und geringfügige Sauerstoffzufuhr aus Gründen des Reifeprozesses des Weines zu. (Näheres dazu auch unter "Wein mit Korken oder Schraubverschluss?")

Wie sich Weine bei Sauerstoffkontakt entwickeln hat natürlich auch damit zu tun, ob sie streng überwacht reduktiv ausgebaut wurden oder durch Lagerung im Holzfass oder Betonei schon chemische Prozesse mit Sauerstoff stattgefunden haben und sich der Wein bei einem erneuten Zusammentreffen erst einmal stabil verhält. Solche Weine becircen nicht mit Primäraromen, sondern schmecken in sich dichter und vielschichtiger.

Eine weitere Kategorie sind Süßweine oder oxidativ ausgebaute Weine, wie Sherry, Port, Banjuls, Vin Jaune oder Tokajer. Diese Art Weine wird durch Zucker oder extra zugesetztem Alkohol vor dem Verfall bewahrt. Sie sind auch geöffnet über mehrere Wochen haltbar.



Fazit Teil 1:

Die Dosis macht das Gift. Viel Sauerstoffkontakt über einen langen Zeitraum ermüdet den Wein. Schlecht, im Sinne von verdorben, dauert lange.

Im zweiten Teil von DIE Luft und der Wein, geht es genau um das Karaffieren. Wann macht man sich die oxidativen Prozesse geschickt zunutze, um dem Wein seine noch verborgenen Geheimnisse zu entlocken? Im dritten Teil geht es dann um das Dekantieren. Wann sollte man einen Wein vor Sauerstoff möglichst schützen?



Lesen Sie hier mehr zum Thema:

Weiterleitung zu Teil 2 Weiterleitung zu Teil 3

 




Anke Kürschner