Was ist eigentlich Terroir?

Der französische Begriff „Terroir" ist in der Weinwelt international in aller Munde. Es gibt „Terroirweine“ aus den unterschiedlichsten Anbaugebieten in Supermärkten und Weinfachhandlungen zu kaufen. Kann man Terroir denn nun auch wirklich schmecken?

Versucht man mittels eines Übersetzers den Begriff aus dem Französischen zu übersetzen, lautet die heutige deutsche Übersetzung ebenfalls „Terroir“. In alten Wörterbüchern findet man auch die Übersetzungen Boden und Land zu dem französischen Wort. Sogar „le goût de terroir“, der Bodengeschmack, ist ein fester Begriff. „Terra“ bedeutet im Lateinischen Erde oder Land. Ist also mit Terroir der Boden, auf dem die Reben wachsen gemeint oder steckt noch mehr dahinter?

Natürlich steckt noch mehr dahinter. Wenn wir dem Begriff einen ganzen Beitrag widmen, beinhaltet er weit mehr als die pure Geologie. Vielmehr umfasst der Begriff den Boden, die Lage und Hangexposition, bzw. –ausrichtung, das dort herrschende Klima und durch die Kultivierung auch den Einfluss des Menschen auf die Landschaft.


Terroir beim Wein

Topografie und Klima

Die beiden Begriffe sind eng miteinander verknüpft und damit auch ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten, die das Wort Terroir beinhaltet. Die Topografie stellt die Erdoberfläche, die Geländeform mit den natürlichen und künstlichen (z.B. Gebäuden oder Straßen) Gegebenheiten kartografisch dar. Die Geländeform mit Neigung, Hang, Relief und Exposition trägt wesentlich dazu bei wie die Witterung Einfluss nimmt.

Ein Beispiel: Je steiler ein Hang ist, desto intensiver ist die Wirkung der Sonnenstrahlen auf die Oberfläche. Während die Sonnenstrahlen unten im Tal mit einem Winkel von 20° auf die Erdoberfläche treffen, bescheint sie zum gleichen Zeitpunkt den Hang weiter oben im Winkel von 45° deutlich intensiver.

Über das Klima, seine Veränderung und die wechselseitige Wirkung mit uns Menschen wird zur Zeit weltweit debattiert, diskutiert und demonstriert. Welche Auswirkungen das Kima und sein Wandel global auf Mensch, Tier, Pflanze und Erdreich hat, ist aktuelles Thema in der Wissenschaft und in den Medien.


Was ist Klima?

Mit dem Begriff Klima werden Wettererscheinungen definiert, die an einem mehr oder weniger großen Gebiet über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Auf den Weinberg bezogen wird das dortige Mikroklima betrachtet, welches natürlich von Meso- und Makroklima beeinflusst wird.

  • Mikroklima: Bereich von wenigen Millimetern bis einige 100 Meter in bodennahen Luftschichten
  • Mesoklima: Bereich von 1 -2000 km im Zeitraum von 1 Stunde bis 1 Woche, z.B. Gewitter, Wetterfronten, tropische Stürme
  • Makroklima: Bereich von 2.000 – 10.000 km horizontaler Ausdehnung und darüber hinaus globale Zirkulation und planetare Wellen in einem Zeitraum bis zu einem Monat.


Terroir und Rebsorten

Die Verbände der einzelnen Weinbauregionen Deutschlands bewerben mit informativen Broschüren wie „Gute Gründe für Rheinhessen“, „Wein & Stein ganz Nahe“ oder „Stein und Wein an der Ahr“ die Ursprünglichkeit und die Einzigartigkeit ihres Anbaugebietes, eben ihr spezielles Terroir. An der Mosel ist Riesling typisch für die Schiefersteillagen oder der Spätburgunder für die Hänge an der Ahr und bei dem fränkischen Silvaner denkt man sofort an den Kalkstein aus dem Trias.

In Frankreich ist das Terroir wesentliche Grundlage für die Klassifikation einer Lage oder einer Appellation d’Origine Protegée (AOP). Die festgelegten Bestimmungen einer Appellation beinhalten u.a. auch die aufgrund des Terroirs gegebenen Voraussetzungen für die jeweils zugelassenen Rebsorten. So verbinden wir mit der Champagne die Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. An der Loire wird der dort wachsende Sauvignon Blanc von den weißen, mit Feuerstein versetzten kalkhaltigen Böden in Poulliy Fumé geprägt. In Italien entstehen die berühmten Weine aus Sangiovese im Chianti-Gebiet in der Toskana und der spätreifende Nebbiolo prägt die Weine aus Barolo im Piemont. Die Aufzählung bekannter Anbaugebiete und ihrer typischen Rebsorten ließe sich noch weiter fortsetzen. Weinanbaugebiete in aller Welt mit ihrem Boden und ihrem eigenen Klima prägen bestimmte „Weintypen“.

Was braucht die Rebe?

Was macht den Chardonnay in Chablis so besonders und anders?

Wie jede Pflanze braucht die Weinrebe Wasser, Stickstoff und eine gewisse Temperatur für ihr Wachstum. Um es sehr vereinfacht darzustellen: Ein sandiger Untergrund speichert Wasser und Wärme anders als Lehm oder Kalk. Durch die Art der Bodenbeschaffenheit speichern sich also Niederschläge und auch Umgebungstemperatur sehr unterschiedlich. Auch die Menge der für die Pflanze zur Verfügung stehenden Nährstoffe variiert aufgrund der unterschiedlichen Speicherkapazität des Untergrundes. Die verschiedenen Rebsorten bringen ihre sortentypischen Veranlagungen und Bedürfnisse mit in den Weinberg. Der Spätburgunder alias Pinot Noir besitzt für eine Rotweintraube eine relativ dünne und weniger farbintensive Beerenhaut im Vergleich zum im heißen Spanien wachsenden Tempranillo. Dem an ein eher kühles Klima gewöhnten Spätburgunder wäre es in Spanien viel zu heiß, und er würde in einem heißen Anbaugebiet auch nicht seine feine, elegante Aromatik so ausprägen können.


Der Einfluss des Menschen

Die Kultivierung und Pflege der Landschaft hat großen Einfluss auf die Beschaffenheit der Böden und das unmittelbare Mikroklima. Eine bewaldete Kuppe oberhalb vom Weinberg bietet Schutz und Kühle für die angepflanzten Reben. Der zwischen den Rebzeilen begrünte Boden schafft ein ganz anderes Klima und eine andere Versorgung mit Nährstoffen und Wasser für die Pflanze als ein nicht bepflanzter. Die Art der Bewirtschaftung durch den Menschen ist prägend für die Entwicklung von Fauna und Flora, Mikro- und Makroorganismen. Eine asphaltierte Straße speichert mehr Wärme als ein sandiger Weg und ob ein Fluss begradigt ist oder sich durch die Landschaft schlängelt beeinflusst die unmittelbare Temperatur und Thermik. Ob in der Landwirtschaft und im Weinbau konventionell, ökologisch oder biodynamisch bewirtschaftet wird, hat direkten Einfluss auf die Bodenqualität und die Umwelt.

Ist die Rebe gut vom „Terroir“ versorgt und prägt dem Untergrund entsprechend bestimmte Aromen mehr und andere weniger aus, kann der Winzer solche typischen Geschmackskorridore durch seine Arbeit im Keller noch unterstreichen und herausarbeiten. Wenn man also im Wein das „Terroir“ schmecken kann trägt die Art der Verarbeitung der Trauben im Keller mit dazu bei. Die Handschrift des Winzers sowohl im Weinberg als auch im Keller gehört also auch mit zu dem komplexen Begriff Terroir.


Terroir ist das Zusammenspiel

Die in den verschiedenen Erdzeitaltern entwickelten Böden, die durch ihre ganz eigene Entstehungsgeschichte und die heutige Bewirtschaftung geprägt sind und die Rebe, die den Gegebenheiten entsprechend ihre Bedürfnisse erfüllen kann, sind Ausdruck von „Terroir“. Jede Rebsorte hat ihren eigenen Charakter. Findet sie aufgrund der örtlichen Gegebenheiten alles, was sie für ein gutes Wachstum braucht, in ausreichender Menge vor, kann sie ihre Charakterstärken voll ausspielen. Welche unterschiedlichen Charakterzüge von ein und demselben Rieslingklon sich aufgrund verschiedener Terroirs zeigen, kann man genau schmecken. Es ist beeindruckend, wenn ein Winzer z.B. Riesling aus verschiedenen Lagen genau gleich vinifiziert. Dann zeigen sich im Wein sehr unterschiedliche Ausprägungen von Frucht und Körper, Zugänglichkeit und Verschlossenheit und auch der Balance von Süße und Säure. Je nach Bodentyp spiegeln sich fruchtige, kräuterige oder florale Aromen intensiv oder dezent wider.

Das Zusammenspiel von Terroir und Rebe ist der Grund, warum ein Chardonnay aus dem burgundischen Chablis aufgrund seiner Herkunft anders schmeckt als ein Chardonnay aus Rheinhessen.


Anke Kürschner