Nachgefragt bei Simone Adams

Ingelheim, auf der anderen Rheinseite von Geisenheim gelegen, gehört zu Deutschlands größten Weinanbaugebiet Rheinhessen. Der Ort kann auf eine beeindruckende Geschichte in Sachen Wein zurückblicken. Ingelheim hat optimale Voraussetzungen für Burgunderrebsorten und das ist auch der klare Fokus von Simone Adams. Sie arbeitete an der Forschungsanstalt für Garten- und Weinbau in Geisenheim an ihrer Doktorarbeit über die Alterung von Weißwein als ihr Vater im Jahr 2010 überraschend verstarb. Von einem Tag auf den anderen übernahm Simone Adams das Weingut ihres Vaters.

So unerwartet wie ihre Karriere als Winzerin auch begann, so überraschend schnell wurde sie auch als Geheimtipp gehandelt. Was auch daran liegen mag, dass sie manches anders angeht als üblich. Heute, 10 Jahre später, ist das Weingut in der Umstellung auf eine biodynamische Arbeitsweise. Ziel ist es Topp-Spätburgunder aus Ingelheim zu produzieren und damit an die ruhmreiche Zeit vor gut hundert Jahren anzuknüpfen.

Das Winzer-Interview

Sie haben Ihre wissenschaftliche Arbeit in Geisenheim abgebrochen, um nach dem Tod Ihres Vaters das Weingut zu übernehmen. Ist die Entscheidung bis heute stimmig? Was ist Ihre Motivation heute?

Simone Adams: " Es war früher Farbe bekennen. Ich wäre noch eine Weile in Geisenheim geblieben. Aber auf alle Fälle war mir klar, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt das Weingut übernehmen möchte. Meine Motivation ist „Topp Topp Topp“ Spätburgunder zu vinifizieren und die Ingelheimer Parzellen weiter zu begreifen. Von Jahr zu Jahr reift das Gefühl ein Schrittchen mehr zu verstehen. "

Was bereitet Ihnen die meiste Freude bei der Arbeit mit Wein?

Simone Adams: " Das positive Einwirken mit dem Ziel das beste Ergebnis zu erreichen. Im Weinberg ist es ein Hand-in-Hand mit der Natur sein und durch den richtigen Umgang mit der Natur die beste Traubenqualität reifen zu lassen. Erreicht die Traubenqualität im Weinberg auf einer Skala von 1 bis 10 die 10, bringt also auf natürliche vollkommene Weise ihre besten Eigenschaften schon mit, dann kann menschliches Eingreifen durch die Arbeit im Keller dieses Qualitätsergebnis verschlechtern. Erstrebenswert ist es dagegen auf Basis dieser Ausgangsqualität diese zu erhalten und nicht zu verschlechtern. "

Wie groß ist Ihr Betrieb:

Simone Adams: " Wir bewirtschaften 10 Hektar. "

Sie erwähnen in Ihren Beschreibungen der Weine Arbeitsschritte wie „Entblätterung der Traubenzone“, die auf alle Fälle von Hand durchgeführt werden. Wird im Weinberg auch maschinell gearbeitet?

Simone Adams: " Natürlich fahren wir auch mit dem Traktor durch den Weinberg. Bodenbearbeitung und Mulchen oder Unterstockarbeiten (Bürsten anstelle von Spritzen) wird maschinell durchgeführt. Ansonsten arbeiten wir von Hand. Die Entblätterung machen wir nur von der Schattenseite, um eine gute Belüftung für die Trauben zu schaffen. Die Sonnenseite lassen wir als Sonnenschutz so belaubt. Natürlich lesen wir auch von Hand. "

Wie viele Mitarbeiter sind auf dem Weingut beschäftigt und wie ist die Arbeitsaufteilung?

Simone Adams: " Wir – das sind mein achtzigjähriger Onkel, ein Winzer, ein Azubi und zwei Saisonkräfte, arbeiten alle in allen Bereichen. Jeder darf gerne alles machen und niemand ist sich für etwas zu schade. Aber klar machen meine männlichen Mitarbeiter die Arbeiten mit dem Traktor gerne, und ich kümmere mich um vieles andere vom Weinberg und Keller bis zum Büro und Verkauf. Mein Onkel kann gar nicht anders als tatkräftig mit dabei zu sein. "

Das Thema nachhaltiger Weinbau ist in vieler Munde. Wie stehen Sie dazu?

Simone Adams: " Wir haben vor 3-4 Jahren schon auf ökologischen Weinbau bei der Bodenbearbeitung umgestellt. Der Schritt von Bio zur Biodynamie ist das konsequente Weiterdenken der Idee. Dieses Jahr haben wir dazu genutzt, um nach der Bodenbearbeitung nun auch den Pflanzenschutz biodynamisch zu betreiben. "

Sie beschreiben „vollkommen ausgereifte Traubenkerne“ als wichtigen Bestandteil bei der Produktion Ihrer Weine. Wie sollten reife Trauben im besten Fall sein.

Simone Adams: " Die Reife der Trauben ist sensorisch spürbar. Es ist wesentlich und haptisch im Mund fühlbar wie sich die Schale vom Fruchtfleisch löst und wie sich das Fruchtfleisch vom Kern löst. Wenn alles noch fest zusammenhängt ist die Traube nicht reif. Die Kerne sollten dunkel sein und nussig schmecken anstelle von bitter. Die phenolische Reife ist wichtiger als Oechslegrade. "

Sie sprechen von der Subtilität unseres Klimas am 50. Breitengrad. Hat der Klimawandel Einfluss auf den Lesezeitpunkt in Ingelheim?

Simone Adams: " Ja! Vor den heißen Jahren 2018 und 2019 hatten wir, wenn es kein regenreicher Herbst war, fünf bis sechs Wochen Zeit für die Lese ohne, dass die Trauben überreif geworden sind. Heute müssen wir um weiterhin schlanke Weine zu vinifizieren viel schneller sein und in drei Wochen alle Parzellen lesen. Die Burgunder-Rebsorten auf den unterschiedlichen Böden werden in einem nur kleinen Zeitfenster reif. Im Sommer 2018 waren von Mai bis zur Lese Witterungsverhältnisse wie auf Sizilien. Es gab nur 3 l/m2 Niederschlag, die quasi direkt verdunstet sind. Wir hatten in dem Jahr die Bodenbearbeitung umgestellt und mit Bodenbegrünung gearbeitet. Die Wurzeln der bodenbedeckenden Begrünung haben wir dann mit der Flügelschar unterschnitten. So wird der Boden nicht zu grob aufgebrochen und wenn es wieder Niederschläge gibt wachsen die Pflanzen wieder an. So ist der Boden bestmöglich vor dem Austrocknen geschützt. Die Bestandsanlagen, die auch schon tiefer wurzeln, haben davon profitiert und gleichmäßige Trauben ausgebildet. Nur die jungen Anlagen hatten Wasserstress, was sich jedoch auf unseren guten Böden zum Glück in Grenzen hielt. "

In Rheinhessen wird auch viel Riesling und „RS“- Rheinhessensilvaner- angebaut. Inwieweit ist Ihre Burgundervorliebe typisch für die Region?

Simone Adams: " Ingelheim war schon im 19.Jh berühmt für seine Spätburgunder. Hier gibt es dank des Kalkverwitterungsgesteins die optimale Grundlage für Burgunderrebsorten. "

Gibt es in Bezug auf den Klimawandel schon die Notwendigkeit einer Veränderung bei der Anpflanzung neuer Reben?

Simone Adams: " Verglichen mit dem Burgund haben wir noch „Luft nach oben“. Ich vergleiche Ingelheim nicht mit Burgund, was die Weine angeht. Wir haben hier einen eigenständigen Charakter Spätburgunder und keinen Pinot Noir. Ich pflanze auch hier in Ingelheim ganz bewusst keine Pinot Noir Klone aus dem Burgund an. Klimatisch betrachtet können wir sehr gut weiterhin Burgunderrebsorten anpflanzen. "

Ihre Weine haben teilweise 0 Gramm Restzucker. Wie vergären die Weine in Ihrem Keller? Lassen Sie sie alle spontan vergären oder fügen Sie Reinzuchthefen hinzu?

Simone Adams: " Alle gären spontan bis auf Kaliber 9, den Weißburgunder. Der wird im Moment noch mit neutralen Reinzuchthefen vergoren, was wir aber verändern wollen. "

Schwefel wird im biodynamischen Anbau auch als Pflanzenschutz verwendet. Kommt er bei Ihnen auch im Keller zum Einsatz?

Simone Adams: " Ja, aber immer weniger, und wir geben immer später Schwefel dazu. Bei den 2019er Weinen haben wir erst dann noch einmal wenig geschwefelt, als die Weine aus den Fässern kamen. Man merkt es dem Wein an, ob er etwas Schwefel benötigt! In der biodynamischen Weinbereitung sind je nach Weintypen 100 bis 120 mg/l zugelassen. "

Ihre Weine liegen lange in den Tanks und Fässern. Wie handhaben Sie es mit der Filtration? Werden Ihre Weine filtriert?

Simone Adams: " Bisher noch etwas, nur ganz grob. Wir haben nie steril gefüllt, sondern die Weine nur durch ein feines Sieb laufen lassen, damit keine groben Partikel mit auf die Flasche gehen. Da werden wir aber auch weiter ausprobieren und entwickeln, da unfiltrierte Weine einfach noch mehr Mundfülle haben. "

Was ist Ihre Philosophie? Sie haben das Zitat von Giuseppe Tomasi di Lampedusa „Es muss sich alles ändern, damit es bleibt wie es ist.“ auf Ihrer Homepage. Ist der Spruch für Sie immer noch stimmig?

Simone Adams: " Ja, ist er. Ich bin ein mutiger und offener Mensch. Offen für Bewegung. Da passt jetzt die aktuelle Umstellung auf Biodynamie sehr gut zu dem Thema. Das Dynamische, das Erkennen von Stärken und viel Freiheit lassen - das sind für mich wichtige Parameter. Meine Überzeugung ist, dass man mit Herzblut und Mut weiterkommt. "

Wo liegen die Stärken des Weingutes? Was macht den ganz persönlichen Fußabdruck aus?

Simone Adams: " Wir sind ein Nischenweingut. Wir arbeiten extrem nah an der Natur und gehen individuell auf alle Parzellen ein. Unsere Profilstärke zeigt sich in unseren individuellen Weinen, die zeigen wo sie herkommen. Sie zeigen authentisch die Böden und das Abstraktionsvermögen mehr zu sehen, als es vordergründig scheint. So wird das Beste der Reben offenbart. "

Ihre Weine sind bio und bald auch biodynamisch ausgebaut. Sie könnten in der Kategorie „Raw Wine“ vermarktet werden. Doch Sie haben keinerlei Zertifizierung auf Ihren Etiketten. Möchten Sie auch da frei bleiben und sich nicht festlegen?

Simone Adams: " Wir werden uns zunächst öko zertifizieren lassen. Alles andere kommunizieren wir verbal. Mal sehen ob es dabei bleibt oder wir den weiteren Schritt der Zertifizierung gehen werden. "

Wenn jemand Sie noch nicht kennt, welchen Einsteiger-/Anfängerwein würden Sie ihm empfehlen?

Simone Adams: " Bei nur 10 Hektar produzieren wir keine Gutsweine. Als Empfehlung zum Herausfinden ob man unsere Weine mag eignen sich als Weißwein Kaliber 9 Weißburgunder und Kaliber 12 Spätburgunder als roter Einsteiger. Die Weine sind wegweisend von der Struktur. "

Es gibt in Ihrem Portfolio den Spätburgunder „Auf dem Haun“ und den Spätburgunder Kaliber 48, der auch „Auf dem Haun“ wächst und mit Rappen vergoren wird. Warum zwei verschiedene Spätburgunder vom gleichen Sonnenhang?

Simone Adams: " Kaliber 48 wächst Auf dem Haun, eine kleine Gewann ganz oben in der Lage Sonnenhang. Dadurch, dass wir ihn mit 100% Rappen vergären, kommt das Tannin seiner Herkunft auch zu 100% in dem Wein zum Ausdruck. Er spiegelt einfach noch mehr Herkunft wider. Aber auch der klassisch entrappte Spätburgunder „Auf dem Haun“ zeigt sich jedes Jahr als Bank. "

Was ist Ihr Lieblingswein vom eigenen Weingut, und gibt es Weine von anderen Weingütern, die Sie sehr schätzen?

Simone Adams: " Einen bestimmten Lieblingswein habe ich nicht. Wir probieren viel von anderen Weingütern. Aus Deutschland trinke ich gerne die Weine von Forgeurac aus St. Leon-Rot in der Nähe von Heidelberg. Auch Champagner mag ich gern. "

Haben Sie Wünsche/Visionen für die Zukunft?

Simone Adams: " Meine Vision ist, dass wir mit unserem Chardonnay und unserem Spätburgunder ganz oben anklopfen werden. Ingelheim war vor dem ersten Weltkrieg berühmt für seine Spätburgunder. Die Top Rotweine aus Deutschland kamen damals aus Ingelheim, Assmannshausen und Klingenberg. Spätburgunder aus Ingelheim wurde bei der Weltausstellung in Paris 1900 ausgezeichnet. Die Reputation von einst soll wieder nach Ingelheim zurückkehren, das ist unsere Aufgabe. "



Vielen Dank!

Anke Kürschner

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