„Das kleine Wörterbuch der Weinsprache“ oder „Das kleine 1 x 1 der Weinsprache“ helfen beim Erlernen der Fachsprache in Sachen Wein. Braucht es gar ein Vokabelheft um die beschreibenden Begriffe, Adjektive und Bezeichnungen über das Genussmittel Wein zu erlernen?

Was ist so Interessantes an der Wein-Fachsprache, dass sie sowohl ernst- wie auch schalkhaft über die Branche hinaus benutzt wird?
Dass die Weinsprache ein dankbares Thema ist, zeigen die vielen Beiträge, die man dazu finden kann. Vom Wein Influencer bis zum Weinhändler enden die meisten sprachlichen Aufklärungen mit einem ABC der „wichtigsten“ Fachbegriffe in unterschiedlichem Umfang von 10, 20, 50 bis 75 Einträgen. 
Weiterhin im Angebot: Ein systematisches Navigationssystem führt durch eine Verkostung und hält die richtigen Begriffe bereit, um sich sachgerecht über Optik, Geruch, Geschmack und den Abgang auszutauschen. Mit Abgang ist in diesem Fall nicht das Verlassen der Bühne eines Schauspielers gemeint, sondern wie lange der Geschmack, die Aromen des Weines noch am Gaumen „nachhallen“. Und schon sind wir mittendrin in dem Teekesselchen Spiel der Weinfachsprache. Wie für Fachsprachen üblich, bedient sie sich an Worten der gemeinen Sprache und verleiht ihnen fachspezifische Bedeutung.

Collage Sommelier

Wie kommt es, dass über Wein derart viel geredet wird?
Weingenuss löst die Zungen und macht redselig – ist es das? Wollte man dem Gelaber Struktur und Gehalt geben? Gibt es nur in Sachen Wein ernsthaftes Richtig-wichtig-schmecken? Die Sprache des Brotes z B. wurde seit 2014 entwickelt, zu einer Zeit, in der sich die Weinbranche überlegt, dass sich dringend etwas mit ihrer zu abgehobenen Sprache verändern muss. Längst bedient sich die Genussindustrie des nicht geschützten Begriffes Sommelier für verschiedene Fachbereiche. Brot, Bier, Käse, etc... Die im jeweiligen Bereich Ausgebildeten wissen fachgerecht und wortgewandt Produkte ihrer Branche zu beschreiben.

Die Entwicklung der Weinsprache

Der Wein begleitet die Menschen schon seit Jahrtausenden, siehe auch den BLOGBEITRAG WEIN. Der Umgang mit Rebstock und Wein hat viele Berufe hervorgebracht und befindet sich nach wie vor im immerwährenden Wandel der Zeiten. Das haben Wein und Sprache gemein. Die Wurzeln der modernen Weinsprache als Fachsprache reichen bis in die griechische Antike zurück. Der Chemiker Jean-Antoine Chaptal, der sich bis heute ein Denkmal mit der nach ihm benannten Methode zur Alkoholanreicherung mittels Zugabe von Zucker oder Traubenmost, der Chaptalisation, bei der Weinbereitung gesetzt hat, veröffentlichte 1801 das Buch „L'art de faire, gouverner, et perfectionner les vins“. Darin bediente er sich antiker Begriffe und machte sie der modernen Fachwelt zugänglich. Die Weinsprache entwickelte sich weiter zu einer Fachsprache mit Fachvokabular, wie es auch in anderen Bereichen, z. B. in wissenschaftlichen Gebieten oder handwerklichen Berufen üblich ist. Eine wunderbare Sammlung der Winzerterminologie hat die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz mit dem „Wörterbuch der deutschen Winzersprache" vor über 20 Jahren herausgegeben und sie beständig aktualisiert.

Die Blüten der Weinsprache

Neben Everybody’s Darling, ein an die Harmoniesucht mancher Menschen angelehnter Begriff, der einen Wein bezeichnet, der ganz gefällig jedem schmecken könnte, gibt es auch den „fetten Mops“ oder die „fette Schnecke“, die einen voluminösen Wein beschreibt. Um einen umfassenderen Eindruck eines verkosteten Weines zu vermitteln, wird in dem folgenden Fall mit vergleichenden Bildern gearbeitet: „Extrem dunkel in der Nase, Brombeere, buschig. Auch im Mund bleibt der Wein in bisschen in seiner Höhle wie eine Muräne. Dunkle Beeren, nicht gerade offenherzig.“ (Verkostungsnotizen VDP Vorpremiere Große Gewächse August 2025, Chez Matze)

Und schon sind wir schon mittendrin, im „Weinsprech“ der Fachwelt. 
Es gab Zeiten, in denen sich Weinkritiker, Sommeliers und weitere Fachleute, die Wein nicht hergestellt aber darüber kommuniziert haben, sich, ihre Sprache und Bewertung sehr wichtig genommen haben. Fachjournalisten und Kritiker tragen u. a. dazu bei, den Marktwert von Weinen zu heben oder tiefer purzeln zu lassen. Die dabei bis in schier Endlossätze mutierenden Beschreibungen führten dann auch wieder zur Verhohnepipelung der Schreiberlinge. „Wein oder nicht Wein“ von Autor Axel Hacke z. B. ist eine wunderbar pointierte Darstellung ausgiebiger Weinbeschreibung. Er hat in seiner bereits 2010 erschienenen Glosse die „bunten Blüten“ zu einem wahrhaft üppigen Bouquet zusammenzufügt. Wie in dem vom Deutschen Weininstitut herausgegebenen „Aromarad, Weinbeschreibung leicht gemacht“, eingangs bemerkt wird: „Wer sich mitteilt, genießt doppelt“. Sprechen wir also über Wein, um mehr Genuss zu empfinden?

Der Nutzen einer Wein-Fachsprache

Um in der schier unendlichen Vielfalt an Weinen einen Weg der sachlichen Kommunikation zu finden, sind gemeinsam verständliche Worte wichtig. Schließlich geht es in der Weinwelt sowohl um Weine, die als Geldanlage gehandelt werden – da sollten die Expertisen verlässlich sein – als auch um „trinkige“ (neues Wort für trinkfreudig oder einfach süffig) Alltagsweine, eben Everybody’s Darling.
Ein Wein wird nach seiner Herstellung im Labor analysiert. Da lässt sich nicht viel rumdeuteln wieviel Restzucker, Säure oder Extrakt enthalten ist, es wird gemessen. Wie süß, sauer oder gehaltvoll er am Gaumen schmeckt, bleibt trotzdem eine Wahrnehmung, die bei Verkostungen in Worten mitgeteilt wird. In dem Bereich Weinsensorik sind die Begriffe für den optischen Eindruck, den Geruch und den Geschmack sowie das Mundgefühl tatsächlich mit international gängigen Begriffen versehen. Wein wird weltweit gehandelt. Da ist es schon gut, dass man global verständlich lesen kann, wie ein Wein gemacht wurde und welche sensorischen Eigenschaften er mitbringt.

Zahlen statt Worte
Anstelle der zahlreichen Adjektive zur Konkretisierung des Inhaltes in der noch verschlossenen Flasche, funktioniert Bewertung auch in Zahlen. Verschiedene Punktesysteme, je nach Kritiker von 5–100 zu vergebenen Punkten, sollen dem Käufer auf wenig umschweifige Art die Qualität eines Weines erkenntlich machen. So kann ohne Fachsprache und-personal im Supermarkt die Wertigkeit eines Weines dem Kunden gut sichtbar angezeigt werden. Wer Interesse hat, nachzulesen, was die Punkte bedeuten, kann hier nachschauen: TOP BEWERTET Also, innerhalb der Weinfachwelt ist es vollkommen verständlich, dass in der ihr eigenen Sprache gesprochen wird. Gut so! Da Wein als Genussmittel am liebsten zahlreiche Abnehmer finden soll, geht es weiterhin natürlich darum eine verständliche Kommunikation mit den Konsumenten zu finden.

Jenseits aller Arroganz

Ist es dem Wein überhaupt recht jedermanns Liebling zu sein? Bewertungen haben schnell etwas Anmaßendes. Nicht erst, seit es der Weinbranche klar geworden ist, dass man nicht mit Überheblichkeit, sondern mit Transparenz Weine verkauft, haben mündige Konsumenten sich mit „schmeckt mir“ und „schmeckt mir nicht“ über elitäres Wein-Gequatsche hinweggesetzt. Trotzdem braucht das Produkt Wein beschreibende Worte, um den suchenden Konsumenten bestenfalls auf die zu ihm passende Flasche aufmerksam zu machen. Punkte reichen da nicht aus. Sie geben Hinweise auf die mehr oder minder objektive Beurteilung der Qualität, liefern aber keinerlei Anhaltspunkte über die geschmackliche Ausrichtung. Ein gelegentlicher Weintrinker braucht aufklärende Worte, um den ihm schmeckenden Tropfen in dem Wein-Dickicht auszuloten.
Das ist genau der spannende Wendepunkt in dem Umgang mit der Weinsprache. Im letzten Jahrzehnt ist die Sprache deutlich verständlicher geworden, wenn es um schriftliche Formulierungen auf Weinflaschen oder in kurzen Beschreibungstexten direkt zum Produkt im Laden geht. Die Weinsprache hat sich zusammen mit den Weinfachleuten verjüngt und ist nicht mehr so angestaubt und verkopft. Auftritte von Sommeliers, die flotte Sprüche über durchaus hochwertige Weine zu gängigem Alltagsessen klopfen, machen Wein zugänglicher und auf gewisse Art und Weise populär. Das nimmt Weintrinkern die Furcht vor Unwissenheit und macht eher Lust auch Neues auszuprobieren.

Was sind Qualitätskriterien aus der Sicht der Verbraucher?
Als Verbraucher möchte ich wissen welche geschmackliche Ausrichtung der Wein hat, sowohl was die Süße und Säure betrifft als auch ob er am Gaumen z.B. fruchtig oder kräftig ist. Bin ich als Weintrinker geübter und kann Rebsorten geschmacklich zuordnen oder habe gar schon Weinanbaugebiete bereist, dortige Weine und die Region in positiver Erinnerung, kann ich anhand der Pflichtangaben auf Vorder- und Rücketikett einer Flasche ggf. selbst einschätzen was mich erwartet. Eine Bewertung über das Preis-Leistungsverhältnis seitens des Verkäufers ist oft hilfreich und bestenfalls aufgrund von Erfahrungswerten realistisch.
Häufig lassen wir uns als Verbraucher vom Preis-Genuss-Verhältnis am Gaumen herumführen. Stimmen die Aufmachung und Beschreibung mit dem gerne auch etwas kostspieligeren Preis überein, sind wir gewillt, den Wein auch besser schmecken zu lassen. Da schlägt unser Belohnungssystem voll zu! Wie wir da ticken, ist zu lesen unter WAS KOSTET GUTER WEINSchaumwein-Geldmünzen Collage
Die QUALITÄTSPYRAMIDEvon Gutswein bis zum großen Gewächs, Begriffe wie Grand Cru, Premier Cru, Pago, Gran Reserva, Prädikatsstufen, Selektionswein, Superiore u.v.m. erschließen sich nicht jedem Verbraucher direkt. Jedes Land, teilweise nur einzelne Regionen eines Landes, verbinden mit den Begriffen unterschiedliche, beziehungsweise die besondere Herkunft und Reifezeiten eines Weines. Aus Sicht der Abfüller sind das die Qualitätsmerkmale. Aus Sicht der willigen Weinkäufer stiften sie häufig Verwirrung und überfordern schnell.

Mit welchen Begriffen lassen Sie sich ködern?

Je nach dem mit welchem Interesse Weinbeschreibungen verfasst sind, beinhalten sie nicht unbedingt eine objektive Beurteilung, sondern verfolgen Marketingzwecke mit klarer Zielgruppe vor Augen.
Haben Sie sich schon selbst beobachtet bei welchen blumigen Worten in Ihrer Vorstellung Geschmacksbilder entstehen und der Speichelfluss einsetzt? Ist es zitrusfrisch & belebend oder beerenstark, dabei samtig & weich oder sind Sie eher der charakterstarke, körperreiche Typ? Vertrauen Sie auf die Wein-Speisen-Empfehlungen, die auf dem Etikett vorgeschlagen werden? Passt zu hellem Fleisch, Fisch, Kalb, Geflügel - gerne auch nur als Piktogramm auf das Etikett gedruckt – sollen dem eiligen Weinkäufer als Hilfestellung dienen, den passenden Tropfen zu seinem mit im Einkaufswagen liegenden Essen zu finden. Geben Sie zu, so nüchtern holt die Beschreibung Sie nicht wirklich ab. Da klingen cremige, helle Saucen doch schon verlockender! Und genau das rechte Maß an gut einzuordnenden Adjektiven machen Speisen und das Produkt Wein zugänglich. Der Geruch von nassem Hundefell schreckt jeden nicht Hundeliebhaber direkt ab und ist bestimmt nicht verkaufsfördernd. Bestimmte Termini wie Leder, Harz, phenolisch, Lackton, rappig, Pferdeschweiß, und Katzenpipi können für Weinfachleute Rückschlüsse auf chemische Verbindungen oder evtl. Weinfehler bei der Herstellung beinhalten. Die Erkenntnis, dass genau solche Beschreibungen für Konsumenten lächerlich und vor allem unappetitlich sind, hat sich zum Glück verbreitet. Woher soll man, d.h. ich als ab und zu Weingenießer, denn auch wissen, dass Akazien- und Holunderblüten positiv besetzt sind, während der Geranienton einen Weinfehler darstellt. Gar nicht so einfach bei den Blüten durchzublicken!


Animierende Worte zum guten Schluss
So wie Brötchen am besten knusprig sind, Steaks saftig, Blumen duftig, Musik klangvoll, schwungvolle Pinselstriche farbenfrohe Bilder gestalten, so animiert ein perlendes Glas Sekt, ein frisch-fruchtiger Weißwein und ein samtiger Rotwein zum Verkosten und Genießen. In Zeiten, in denen Wissenswertes allzeit abrufbar ist, lassen sich Fachbegriffe wie Barrique, auf der Hefe, mineralisch oder Tannine schnell erklären. Jeder, der mehr über einen Wein erfahren möchte, findet Ausführliches dazu meist auf verschiedenen Seiten. Weinbeschreibungen, die dem Kunden die Entscheidung erleichtern und Vorfreude wecken, sind gut verständlich verfasst und dienen einem unkomplizierten Umgang mit dem Genussmittel Wein. Das passende Wort an der richtigen Stelle ist genau wie das richtige Maß Salz in der Suppe. Richtig platziert gehen die Wort-Blüten prächtig auf und verkommen nicht zu Stilblüten.

Unser Wein-ABC
Damit wir den Kollegen in nichts nachstehen, besitzen auch wir ein Wein-ABC. Die Begriffe sind mit Augenzwinkern ausgesucht und dienen zur Erheiterung und Erweiterung des Allgemeinwissens. Zu finden unter Wein-ABC

In diesem Sinne viel Spaß mit Wort & Wein.

Anke Kürschner